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11.03.2014 Bildung Pressemitteilung

Im Fokus: Migration ausländischer Pflegefachpersonen

Ausländische Pflegefachpersonen sind in der deutschen Pflegelandschaft willkommen. In einer offenen und bunten Gesellschaft stellen sie eine Bereicherung dar und tragen dazu bei, kulturspezifische Aspekte in der Pflege umzusetzen und weiter zu entwickeln.

Derzeit findet die Anwerbung ausländischer Pflegefachpersonen vor dem Hintergrund des Pflegefach- personalmangels statt. Zahlreiche Einrichtungen wie Krankenhäuser, ambulante Pflegedienste und stationäre Pflegeeinrichtungen haben Schwierigkeiten, geeignete Mitarbeiter für ihre freien Stellen zu finden. Vor diesem Hintergrund sind die Bemühungen, die Stellen mit ausländischen Pflegefachpersonen zu besetzen, nachvollziehbar.

Allerdings können ausländische Pflegefachpersonen den Mangel an Pflegefachpersonen nicht ausgleichen; sie können ihn bestenfalls abmildern. Denn dieser Mangel begründet sich in den bestehenden Rahmenbedingungen, die durch hohe Arbeitsbelastung, begrenzte Handlungsautonomie, geringe Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten und niedrige Vergütung gekennzeichnet sind. Die Anwerbung ausländischer Pflegefachpersonen trägt nicht zur Verbesserung dieser Rahmenbedingungen bei. Sie unterstützt eher deren Beibehaltung und integriert ausländische Pflegefachpersonen in Arbeitsbedingungen, unter denen inländische Pflegefachpersonen nicht mehr arbeiten wollen. Daher werden vor allem geeignete Strategien benötigt, um attraktive Arbeitsbedingungen für alle Pflegefachpersonen zu schaffen, die zu einem längeren Verbleib im Beruf, zu mehr Vollzeitbeschäftigung und zu weniger Berufsflucht deutscher Pflegefachpersonen führen1. Zu den Strategien gehören Investitionen in die Qualifizierung und den Berufsverbleib, eine kurz- und mittelfristige Bedarfsplanung sowie die Anpassung der davon abgeleiteten Ausbildungskapazitäten.

Entscheiden sich Einrichtungen zur Anwerbung ausländischer Pflegefachpersonen, empfiehlt der DPR, folgende Grundsätze zu beachten:

Globaler Verhaltenskodex der WHO

Bei der internationalen Anwerbung von Gesundheitsfachpersonen gilt es, dem globalen Verhaltenskodex der WHO für die internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften Rechnung zu tragen, zu dem sich auch die Bundesregierung verpflichtet hat. Der Kodex untersagt die Rekrutierung von Gesundheitsfachpersonen aus Entwicklungsländern, in denen ein entsprechender Personalnotstand herrscht. Zudem müssen zugewanderten Arbeitskräften die gleichen Arbeitsbedingungen gewährt werden wie den Angestellten aus dem eigenen Land. Die eigenen Ausbildungskapazitäten sollen erhöht und die Zusammenarbeit zwischen den Ziel- und Herkunftsländern gefördert werden. Aus Sicht des DPR ist die Einhaltung dieses Kodex bei den Verhandlungen unverzichtbar.

Die WHO hat 2006 einen Grenzwert für einen kritischen Mangel von Gesundheitsfachkräften definiert. Er liegt bei 2,28 Ärzten, Pflegern und Hebammen pro 1.000 Kopf der Bevölkerung. Dieser Definition entsprechend gelten 57 Länder als Krisenländer2. In Europa kamen 2010 auf 1.000 Kopf der Bevölkerung durchschnittlich 7,9 ausgebildete und registrierte Pflegekräfte. In der Schweiz, Dänemark und Belgien waren es über 153. Trotz dieser deutlich höheren Zahlen allein für die Berufsgruppe der Pflegenden, führen wir auch in Europa die Diskussion über den Mangel an Pflegefachpersonal und die damit verbundenen Einbußen bei der Qualität der pflegerischen Versorgung. Zwar lässt sich der von der WHO definierte Grenzwert vor dem Hintergrund der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den jeweiligen Entwicklungsländern sicherlich begründen. Dennoch stellt sich die Frage, wie sich argumentieren lässt, dass auf Grund des Pflegemangels in Deutschland Fachkräfte aus Ländern angeworben werden, in denen die Pflegepersonalausstattung deutlich schlechter ist als hierzulande.

Bundeseinheitliches Anerkennungsverfahren

Ausländische Pflegefachpersonen, die in Deutschland arbeiten, benötigen eine Qualifikation, die sowohl hinsichtlich der Inhalte als auch der Dauer der Ausbildung deutscher Gesundheits- und Krankenpfleger/ innen vergleichbar ist. Die Anerkennung der Berufsabschlüsse für Gesundheits- und Krankenpfleger/innen in Europa erfolgt auf der Grundlage der Berufsanerkennungsrichtlinie 2013/55/EU. Die Prüfung basiert auf den Bundesgesetzen (Krankenpflegegesetz, Altenpflegegesetz). Die Zuständigkeit für das Anerkennungsverfahren der Heil- und Gesundheitsberufe liegt in den Bundesländern und wird unterschiedlich geregelt. Daher empfiehlt der DPR die zentrale und bundeseinheitliche Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen. Die Umsetzung des Beschlusses der Gesundheitsministerkonferenz von 2012, der die Einrichtung einer länderübergreifenden Gutachterstelle vorsieht, wäre hierfür ein wichtiger Schritt4.

Feststellung der Fachkompetenz

Bei der Ausbildung zur Pflegefachperson unterscheiden sich die Inhalte in den verschiedenen Herkunftsländern

z.T. erheblich von denen des Kranken- bzw. Altenpflegegesetzes. So weisen einige der ausländischen Pflegefachpersonen beispielsweise mehr Kompetenzen in medizinorientierten Bereichen aus, verfügen aber über weniger Kompetenzen bei patientennahen Aufgabenbereichen wie beispielsweise der Körperpflege. Daher spricht sich der DPR dafür aus, dass die vorhandenen bzw. fehlenden Kompetenzen bei ausländischen Pflegefachpersonen festgestellt und entsprechend nachgeschult werden.

Willkommenskultur

Um ausländische Pflegefachpersonen in den deutschen Pflegekontext nachhaltig zu integrieren, wird eine Willkommenskultur benötigt, die das Anerkennungverfahren, die Einarbeitung im Einsatzort und die soziale Integration umfasst. Bei dem Anerkennungsverfahren handelt es sich um einen komplexen Prozess, dessen zeitnaher Abschluss eine enge Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure wie Behörden, Sprachschule, Arbeitgeber und Arbeitnehmer erforderlich macht. Dabei erweist es sich als sinnvoll, mit den interessierten Pflegefachpersonen bereits im Herkunftsland Kontakt aufzunehmen, um Fehleinschätzungen und damit verbundenen Enttäuschungen bzw. dem Abbruch des Verfahrens vorzubeugen. Zudem bedarf es einer gezielten Einarbeitung am Einsatzort und Maßnahmen zur sozialen Integration. Der DPR empfiehlt eine solche Willkommenskultur, die zudem auch die Pflegefachpersonen vor Ort durch Informationen über das Herkunftsland der ausländischen Kolleginnen und Kollegen einbezieht.

Sprachkompetenz B2 GER

Ausländische Pflegefachpersonen müssen der deutschen Sprache mächtig sein und über eine medizinische und pflegerische Fachsprache verfügen. Bei den Anforderungen an die Sprachkompetenz gibt es Unterschiede in den Bundesländern. Der DPR empfiehlt daher die bundesweit einheitliche Sprachkompetenz B2 GER (Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen) für ausländische Pflegefachpersonen.

Überprüfung der Nachhaltigkeit

Die Anwerbung, Nachqualifizierung, Einarbeitung und Integration ausländischer Pflegefachpersonen ist ein Verfahren, das erhebliche zeitliche und finanzielle Ressourcen bindet. Daher empfiehlt der DPR, die Nachhaltigkeit dieses Verfahrens zu untersuchen. Dazu werden Informationen darüber benötigt, wie viele ausländische Pflegefachpersonen angeworben wurden, wie viele dieser Personen eine Berufstätigkeit in Deutschland tatsächlich aufgenommen haben und wie lange sie diese Berufstätigkeit ausgeführt haben.

Literatur

1 In den Jahren 2008 bis 2013 wanderten 5.348 Pflegefachpersonen ins Ausland ab, 3.090 davon in europäische Länder. European Commission 2014. Statistics - Professionals moving abroad (establishment) http://ec.europa. eu/internal_market/qualifications/regprof/index.cfm (last access 28.02.2014)

2 WHO (2010) Handbuch. Der globale Verhaltenskodex der WHO für die internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften http://www.healthworkers4all.eu/fileadmin/docs/de/WHO_Verhaltenskodex_tdh.pdf (last access 28.02.2014)

3 OECD (2012), “Nurses”, in Health at a Glance: Europe 2012, OECD Publishing. http://dx.doi. org/10.1787/9789264183896-30-en (last access 28.02.2014)

4 Beschlüsse der 85. GMK (2012). TOP: 6.5 Verbesserung der Anerkennungspraxis nach Inkrafttreten des Anerkennungsgesetzes. https://www.gmkonline.de/Beschluesse.html?id=85_06.05&jahr=2012 (last access 07.03.2014

 

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