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01.08.2015 Pressemitteilung

Wir brauchen eine schnelle Lösung

Um pflegerische Leistungen besser im DRG-System abzubilden, favorisiert der Deutsche Pflegerat einen systemimmanenten Ansatz und bringt die Integration sogenannter Pflegebedarfs - faktoren ins Spiel. Über die Hintergründe sprachen wir mit dem wissenschaftlichen Leiter der Fachkommission DRG des Deutschen Pflegerats, Dr. Patrick Jahn.

Dr. Patrick Jahn ist Leiter der Stabsstelle Pflege - forschung am Universitätsklinikum Halle (Saale)

Herr Dr. Jahn, die Personalsituation in der Krankenhaus- pflege ist seit Jahren angespannt. Die Integration soge- nannter Pflegebedarfsfaktoren in die DRG-Kalkulation soll notwendige Verbesserungen herbeiführen. Was hat es mit dem neuen Instrument auf sich?

Die Integration von Pflegebedarfsfaktoren ist ein Ansatz, um den tatsächlichen Pflegebedarf eines Krankenhauspa- tienten im Entgeltsystem besser abzubilden. Da es sich um eine Weiterentwicklung innerhalb des bestehenden DRG- Systems handelt, ist das Instrument ohne großen Aufwand und zeitlich zügig umsetzbar.

Warum ist eine realistische Abbildung des Pflegebedarfs eines Patienten bisher nicht gelungen?

Nach über zehn Jahren Erfahrung mit dem DRG-System steht außer Frage, dass Pflege ein wesentlicher Teil der Leistungserbringung und vergütung im Krankenhaus ist. Leider drehte sich die Diskussion, wie der Pflegeaufwand eines Patienten erlösrelevant abgebildet werden kann, in den vergangenen Jahren fälschlicherweise fast ausschließlich um die Abrechnung des Pflegekomplexmaßnahmen- Scores. Doch dieses Instrument greift zu kurz, da es zu sehr somatisch ausgerichtet ist. Insbesondere Aspekte wie die Betreuung kognitiv eingeschränkter Personen finden zu wenig Berücksichtigung. Pflegebedürftigkeit wurde zudem bislang ausschließlich über die Zeit, die eine Pflegeperson für die Versorgung des Patienten benötigt, erfasst. Das ist eine mangelhafte Methode.

Was muss sich ändern?

Der tatsächliche Pflegebedarf eines Patienten muss künftig im Vordergrund stehen. Dieser lässt sich am besten über den Grad der Selbstständigkeit eines Patienten ermitteln. Wir müssen wegkommen von der Minutenbindung, ähnlich wie dies mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff in der Pflegeversicherung erreicht werden soll.

Wie lässt sich das mit dem Instrument Pflegebedarfsfaktoren erreichen?

Die Selbstständigkeit und der damit verbundene Pflegeaufwand wird maßgeblich von zwei Faktoren bestimmt: die kognitive und körperliche Funktionsfähigkeit der Patienten. Sie sollten als Pflegebedarfsfaktoren in die DRG-Kalkulation einfließen und innerhalb des Systems Pflegeaufwände pro Fall erklären.

Wie würde dies in der Praxis konkret erfolgen?

Die kognitive und körperliche Funktionsfähigkeit von Krankenhauspatienten lässt sich mit bestimmten Assess- mentinstrumenten erheben, die stärker in die DRG-Syste- matik eingebunden werden. Der individuelle Pflegeauf- wand könnte beispielsweise mit dem Barthel-Index und dem ergebnisorientierten PflegeAssessment – Acute Care, kurz ePA-AC, mit hoher Genauigkeit vorhergesagt werden. Auf diese Weise können Pflegebedarfsfaktoren in die DRG-Kalkulation einfließen

Eine alternative Methode zur verbesserten Abbildung von pflegerischen Leistungen ist die Einführung von Nursing Related Groups – kurz NRG. Was halten Sie von diesem Ansatz?

Die NRG zielen darauf ab, ein separates Kostengewicht für pflegerische Leistungen auszuweisen. Dafür ist im Grunde die Einführung eines eigenen Klassifikationssystems erforderlich, nämlich Pflegediagnosen. Das ist ein großer Aufwand, der unnötig ist. Im Vorschlag zur NRG wird zudem eine feste Bindung zwischen Pflegediagnose und Maßnahme gefordert. Eine solche Systematik bedeutet nichts anderes als eine Erweiterung der Logik des Pflegekomplexmaßnahmen- Scores, die aufgrund ihrer fachlichen Mängel unbedingt abzulehnen ist. Zudem würde die Implementierung von NRG einen langwierigen Entwicklungsweg brauchen. Diese Zeit haben wir nicht. Wir haben Not und brauchen eine schnelle Lösung.

Die soll nun über Pflegebedarfsfaktoren erfolgen. Wie geht es damit jetzt konkret weiter?

Die Pflegebedarfsfaktoren liegen auf dem Tisch. Wir haben unseren Vorschlag bei den beteiligten Akteuren ins Gespräch gebracht und sind daran interessiert, das Instrument gemeinschaftlich weiter auszubauen. Am Ende wird es spannend sein, wie die Expertenkommission entscheidet. Wichtig ist uns, Pflege unbürokratisch und leistungsgerecht im Finanzierungssystem der Krankenhäuser aufzustellen. Die Integration von Pflegebedarfsfaktoren ist aus unserer Sicht der richtige Ansatz, damit Pflege künftig wieder am Patienten erfolgt und nicht am Schreibtisch.

Das Interview führte Stephan Lücke.

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