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11.11.2022 Bildung Pressemitteilung

Das fällt uns jetzt auf die Füße – Digitale Lösungen nicht an der beruflichen Pflege vorbeientwickeln

Jahrestagung des Handelsblatts „Health – The Digital Future 2022“

Auf der Jahrestagung des Handelsblatts „Health – The Digital Future 2022“ waren Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats e.V. (DPR), und Vize-Präsidentin Irene Maier gefragte Podiumsgäste.

Christine Vogler betonte zum Thema „Patient Journey – für jeden etwas anderes? Wie lässt sich die Akteursvielfalt des Gesundheitswesens koordinieren?“:

„Viele Dinge in der Digitalisierung kommen in der beruflichen Pflege nicht an, weil Hauptansprechpartner und seit Jahrzehnten eine gesetzlich verankerte Organisationsstruktur für die berufliche Pflege, analog der von anderen Selbstverwaltungspartnern, fehlen. Das fällt uns allen jetzt auf die Füße. Viele digitale Lösungen werden derzeit an der beruflichen Pflege vorbeientwickelt.

Die Profession Pflege muss in die Entwicklung von digitalen Lösungen nicht nur sporadisch eingebunden sein, sondern auch systematisch in den Sozialgesetzbüchern entlang der neuen Vorbehaltsaufgaben verankert werden. Dann können Sektorengrenzen überwunden werden. Dazu bedarf es aber auch einer Neustrukturierung des Gesundheitssystems bis hin zur beruflichen Pflege aus einer Hand mit der Zusammenführung des SGB V und des SGB XI.

Die Patientenakte macht es deutlich. Bei deren Entwicklung war die Profession Pflege nicht beteiligt. Und richtig mit ihr arbeiten darf und kann sie trotz ihrer Kompetenzen auch nicht, weil ihr dafür vom Gesetzgeber die Rechte nicht gegeben werden. Das Gesundheitssystem kann so auf Dauer nicht funktionieren.

Die letzten 20 bis 30 Jahre wurde in Deutschland viel versäumt. Wir brauchen eine Neuordnung der Heilberufe. Wir brauchen viel mehr gleichwertigere Ausbildungen in der beruflichen Pflege bis hin zur akademischen Pflege. Die skandinavischen Länder machen es uns vor, wie es erfolgreich funktionieren kann.

Wir müssen den Knoten identifizieren, der uns daran hindert, das Gesundheitssystem weiterzuentwickeln. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung nennt die Neuordnung des Heilberufegesetzes. In der Umsetzung dessen liegt der notwendige Schlüssel zur Umsetzung und Verteilung neuer Kompetenzen für die Gesundheitsberufe.“

Irene Maier wies bei der Diskussion „Durchblick statt Nebelfeld – Was brauchen Patient:innen und Pflegebedürftige wirklich?“ auf die Bedeutung der Gesundheitskommunikation und der Digitalisierung hin. Sie sagte: „Die beruflich Pflegenden müssen die Bedarfe ihrer Patient*innen und Pflegebedürftigen kennen, um helfen zu können. Diese Bedarfe wie auch die Leistungen sind in der Pflege sehr unterschiedlich. Es gibt hier keinen goldenen Königsweg. Das macht es für die Digitalisierung schwierig. Denn eine Vereinheitlichung ist schwer möglich.

Benötigt wird eine verständliche Gesundheitskommunikation in allen Settings des Gesundheitswesens. Dies umfasst auch die Fragebögen vor dem Arztbesuch, die für Laien vielfach nicht zu verstehen sind. Daher müssen Patient*innen und Pflegebedürftige einbezogen werden. Liegt ein solcher verständlicher Bogen vor, dann kann bereits vor der Anamnese durch die Ärzte oder von Pflegefachpersonen eine ausführliche Vorabinformation gegeben werden. Das hilft allen Beteiligten.“

Zur Frage, ob Digitalisierung helfe, den Pflegenotstand zu beheben, sagte Maier: „Wenn kein Pflegepersonal da ist, dann hilft die beste Digitalisierung nichts. Sie ist kein Ersatz für Hilfeleistungen. Wir brauchen mehr Personal in allen Settings. Digitalisierung kann jedoch begleiten, bei der Sturzprophylaxe, für eine bessere Mobilität wie auch zur Verbesserung der kognitiven Möglichkeiten. Sie kann helfen, Transfers zu vermeiden.“

Ansprechpartnerin:
Christine Vogler
Präsidentin des Deutschen Pflegerats

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