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23.09.2019 Arbeitsbedingungen Berufsautonomie Pressemitteilung

Fehlentwicklungen bei der Leiharbeit in der Pflege stoppen

Ursachen und Folgen

Die befristete Leiharbeit in der Pflege hat rasant zugenommen. In den letzten fünf Jahren
hat sie sich in der Krankenpflege fast verdoppelt (12 000 Leiharbeiter/innen in 2014; 22 000
in 2018) und weist damit die stärkste Zunahme bei den sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten auf.
Ebenso haben die Ausgaben der Einrichtungen für den befristeten
Einsatz der Leiharbeiter/innen erheblich zugenommen. Davon profitieren
Zeitarbeitsagenturen zulasten der Solidargemeinschaft, die diese Kosten finanziert.

Diese rasante Entwicklung des Leiharbeitsmarktes ist die Folge der Pflegepersonalnot in
allen Bereichen der Pflege (Krankenhaus, ambulante und stationäre Pflege) und den damit
verbundenen unzureichenden Arbeitsbedingungen wie auch der Prüfpraxis der
Rentenversicherung zur Sozialversicherungspflicht von Honorarkräften in der Pflege
(Stichwort: Scheinselbständigkeit), die eine selbständige Tätigkeit in der Pflege unmöglich
macht. Vor diesem Hintergrund entscheiden sich Pflegende zunehmend für eine Anstellung
bei einer Zeitarbeitsagentur, weil sie ihnen bessere Arbeitsbedingungen und teilweise eine
bessere Vergütung ermöglicht. Dem gegenüber steht die Entwicklung in der
Versorgungspraxis, die zunehmend durch Einbußen bei der Versorgungsqualität und
Gefährdung der Patientensicherheit gekennzeichnet ist.

Diese Situation ist nicht hinnehmbar. Hier sind zeitnah Regelungen erforderlich, damit
Patientinnen und Patienten eine sichere, qualitätsgestützte Versorgung erhalten und
festangestellte Pflegende, die Patientinnen und Patienten 7 Tage die Woche und 24
Stunden pro Tag versorgen, nicht mit einer pflegefachlich unbefriedigenden Situation
konfrontiert werden.

Die Partner der Konzertierten Aktion Pflege 2019 haben bestätigt, dass die Entscheidung
von Pflegenden, für Leiharbeitsagenturen zu arbeiten, auch mit den aktuellen
Arbeitsbedingungen in der Pflege zusammenhängt und ihr Einsatz zu einer zusätzlichen
Belastung der Festangestellten führt. Maßnahmen zur Verbesserung dieser Situation
werden geprüft. Solche Maßnahmen umfassen u.a. innovative Ausfallkonzepte. Wie
Praxisbeispiele zeigen, müssen Krankenhäuser, die ein funktionierendes Ausfallkonzept mit
entsprechenden flexiblen Arbeitszeitmodellen etabliert haben, deutlich weniger bis gar keine
Leiharbeiter/innen in Anspruch nehmen.

 

Gefährdung der Patientensicherheit

 

Die besseren Arbeitsbedingungen der Leiharbeiter/innen, die u.a. durch verlässliche
Arbeitszeiten, Wahlmöglichkeit attraktiver Schichten und teilweise besseres Gehalt
gekennzeichnet sind, führen in den Einrichtungen zum sozialen Unfrieden: Festangestellte
Pflegende müssen nicht nur vermehrt Nacht-, Wochenend- und Bereitschaftsdienste
übernehmen und dafür eine im Vergleich geringere Vergütung hinnehmen. Sie müssen
zudem mehr Verantwortung tragen, indem sie die Unkenntnis über die jeweiligen
Arbeitsabläufe und Besonderheiten des jeweiligen Hauses oder auch das Verhalten in
spezifischen Notfallmaßnahmen von nicht (gut) eingearbeiteten Kollegeninnen und Kollegen
ausgleichen. Dies befördert zusätzlich die Abwanderung weiterer fest angestellter
Pflegender in die Leiharbeit.

Berichten aus dem Versorgungsalltag zufolge können Leiharbeiter/innen die
Qualitätsanforderungen etwa im Bereich der Hygiene oder die sichere Nutzung
medizintechnischer Geräte nicht in gleichem Umfang wie Festangestellte gewährleisten. Der
Umfang der Einweisung, der notwendig wäre, damit Leiharbeiter/innen z.B. mit der Vielzahl
der medizintechnischen Geräte in einem modernen Krankenhaus sicher umgehen können,
widerspricht in sich der Logik eines befristeten Personaleinsatzes grundsätzlich und macht
deutlich, dass selbst bei hoher Qualifikation der Leiharbeiter/innen immer strukturelle
Gefährdungen der Patientensicherheit mit dem Einsatz verbunden sind.

Befristete Leiharbeiter/innen sind zudem meist nur in Teilabschnitte bestimmter Aufgaben
eingebunden, während vor- und nachgelagerte Arbeitsprozesse von den festangestellten
Pflegefachpersonen sichergestellt werden müssen. Entsprechend übernehmen diese die
Verantwortung für die Versorgung der Patientinnen und Patienten, sind
rechenschaftspflichtig und gewährleisten sowohl die Beziehungsarbeit als auch die
kontinuierliche Krankenbeobachtung, welche Grundlagen pflegerischen Handelns sind.

Dort, wo befristete Leiharbeiter/innen einen wesentlichen Anteil an der pflegerischen
Versorgung durchführen, nehmen unkontrollierbare Gefährdungen der Patientensicherheit
zu. Dies wird besonders deutlich im Zusammenhang mit internen Verfahrensanweisungen
und Kommunikationsstandards, die in der Regel etabliert sind, um als Sicherheitsbarrieren
Patientengefährdungen zu verhindern. Diese Standards sind befristeten Leiharbeiter/innen
unzureichend oder gar nicht bekannt, woraus sich notwendigerweise Gefährdungen der
Patientensicherheit ergeben. Wenn die festangestellten Pflegefachpersonen sich
verantwortungsvoll verhalten und versuchen, diese unvermeidlichen Defizite auszugleichen,
wächst ihre zeitliche und psychische Belastung weiter. Damit führt befristete Leiharbeit in
der Pflege zur Entsolidarisierung innerhalb des Pflegeteams vor Ort, zur Gefährdung der
Patientensicherheit und zur zusätzlichen Belastung festangestellter Pflegender.

Kurzfristige Regulierung erforderlich

Die Arbeit in der Pflege muss so geregelt werden, dass auch zukünftig eine kontinuierliche,
qualitativ hochwertige und vor allem sichere Patientenversorgung 7 Tage die Woche, 24
Stunden pro Tag gewährleistet ist und die festangestellten Pflegenden vor Ort eine deutliche
Entlastung erfahren. Beide Zielsetzungen sind untrennbar miteinander verbunden.
Um die Fehlentwicklungen zu stoppen, sind kurzfristige Maßnahmen des Gesetzgebers
erforderlich:


  • Zum einen sollen Zeitarbeitsagenturen verpflichtet werden, die Qualifikation der
    befristeten Leiharbeiter/innen transparent zu machen. Dabei geht es um einen
    Nachweis der Grundqualifikation, absolvierter Weiterbildungen, Einführung in die
    Nutzung medizintechnischer Geräte, Hygienestandards u. Ä., der vor Beginn des
    Vertragsverhältnisses dem Vertragspartner/ der Vertragspartnerin vorzulegen ist.

  • Zum anderen soll eine Begrenzung des Anteils der befristeten Leiharbeiter/innen
    beim Pflegepersonal im Krankenhaus und Pflegeeinrichtungen im Rahmen einer
    Quotenregelung durch den Gesetzgeber vorgegeben werden.

  • Da Patientengefährdungen mit zunehmendem Anteil von befristeten
    Leiharbeiter/innen in der Pflege zunehmen, muss schließlich öffentliche Transparenz
    über die Leiharbeitsquote in den einzelnen Einrichtungen geschaffen werden, damit
    sich Patientinnen und Patienten sowie einweisende Ärztinnen und Ärzte möglichst
    risikoarme Versorgungsangebote zielgerichtet auswählen können.


  •  

Fazit


Leiharbeit ist Symptom und Folge der prekären Arbeitsbedingungen in der Pflege. Dies
betrifft die Krankenhäuser ebenso wie die Langzeitpflege. Für letztere müssten analog der
o.g. Forderungen Regelungen gefunden werden. Sollen heute und in Zukunft genug
Fachkräfte durch Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen gewonnen und gehalten werden,
sind attraktive Arbeitsbedingungen und eine gute Bezahlung nötig.

Die in diesem Papier beschriebenen Forderungen können nur die gewünschte Wirkung
entfalten, wenn sich parallel die Rahmenbedingungen pflegerischer Arbeit und die
Arbeitsorganisation deutlich verbessern. Geschieht dies nicht, wird sich der Exodus aus der
Pflege fortsetzen und verschärfen. Deshalb fordern wir den Gesetzgeber auf, kurzfristig
regulierend einzugreifen. Die Fehlentwicklungen durch die befristete Leiharbeit müssen
gestoppt werden.

Berlin September 2019
Deutscher Pflegerat e.V. (DPR)
Alt-Moabit 91
10559 Berlin
Tel.: + 49 30 / 398 77 303
Fax: + 49 30 / 398 77 304
E-Mail: info@deutscher-pflegerat.de
Internet: www.deutscher-pflegerat.de

Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS)
Am Zirkus 2
10117 Berlin
Tel. +49 (0)30 36 42 81 60
Fax +49 (0)30 36 42 81 611
E-Mail: info@aps-ev.de
Internet: www.aps-ev.de

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