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05.08.2014 Bildung Pressemitteilung

Arbeitsfelder akademisch ausgebildeter Pflegefachpersonen

Im Zuge der Umsetzung des Bologna-Prozesses haben sich zahlreiche Pflegestudiengänge etabliert,  die Pflegeausbildung und -studium integrieren oder kombinieren und dabei sowohl einen Berufsabschluss nach den Ausbildungsgesetzen der Pflegeberufe als auch einen berufsbezogenen Bachelor-Abschluss ermöglichen.

Es wird in der politischen Arbeit zunehmend wichtig zu klären, welche beruflichen Perspektiven Absolventen dieser Studiengänge haben. Hierbei handelt es sich um ein anderes Qualifikationsziel als in den Studiengängen für Pflegemanagement, Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft.

Durch die seit 10 Jahren bestehenden Bildungswege auf Bachelor-Niveau an Hochschulen entstehen erweiterte Kompetenzprofile, die es in die bestehenden Strukturen der direkten Klientenversorgung zu integrieren gilt (vgl. Hülsken-Giesler/Korporal 2013; Wissenschaftsrat 2012; Stöcker/Reinhart 2012).

Der DPR und die DGP haben deshalb beschlossen, Empfehlungen zu formulieren, wie in der Verantwortung von Unternehmensleitungen zügig geeignete Transferstrukturen auf der betrieblichen Ebene im- plementiert werden können, um die Umsetzung pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse in die pflegerische Handlungspraxis auf der Betriebsebene voranzutreiben und damit die Qualität der Versorgungsprozesse im Interesse der Patientinnen und Patienten und ihrer Angehörigen zu verbessern.

Diese Empfehlungen können bislang noch nicht durch empirische Erkenntnisse zum Kompetenzprofil von Absolventinnen und Absolventen der Bachelor-Programme fundiert werden. Die Ergebnisse entsprechender Studien sind zur Konkretion und Weiterentwicklung

der vorgelegten Empfehlungen heranzuziehen. Im Folgenden werden die Kompetenzen von schulisch (nicht-akademisch) qualifizierten Pflegefachpersonen mit denen von Bachelorabsolventen verglichen.

Die Zuordnung von einzelnen Aufgaben und Tätigkeiten soll exemplarisch an Fallbeispielen in unterschied- lichen Handlungsfeldern/Pflegesettings verdeutlicht werden. Sie basiert auf der aktuellen Situation in den Pflegeberufen und ist in den konkreten Handlungs- kontexten zu prüfen. Die angeführten Fallbeispiele verdeutlichen die Abgrenzung von Aufgaben und Tätigkeitsfeldern exemplarisch und sind gegebenenfalls dem konkreten Entwicklungs- und Qualifikations- stand in einer Einrichtung anzupassen.

In den Fallbeispielen, die von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe für dieses Papier konzipiert wurden, wird zwischen Pflegefachkräften mit dreijähriger fachschulischer Ausbildung und Bachelor-Absolventen einer pflegerischen Ausbildung unterschieden. Es wird auf die formal erworbenen Qualifikationen abgehoben, informell erworbene Kompetenzen sind nicht berücksichtigt.

Die Bachelor-Absolventen werden in der direkten Klientenversorgung zusammen mit den schulisch (nicht-akademisch) qualifizierten Pflegefachpersonen arbeiten. In der Zukunft werden sich eigenständige Handlungsfelder für die Bachelor-Absolventen entwickeln; die derzeit bestehenden unvermeidlichen weit- gehenden Aufgabenüberschneidungen, die in den Fallbeispielen deutlich werden, bedürfen mittel- bis langfristig einer schärferen Profilierung. Die Bachelor- Absolventen nehmen aufgrund ihres wissenschaftlichen Hintergrunds die Aufgaben anders und weiter- gehend wahr. Von ihnen gehen insbesondere


  • die Weiterentwicklung der Pflege durch Unterstützung empirischer Pflegeforschung,

  • die Implementierung von Forschungsergebnissen in die Praxis,

  • die Identifizierung und Erstellung von Konzepten

  • sowie die Evaluation der Versorgungs- und Betreuungsqualität,

  • die Beratung und Anleitung von Mitarbeitern zu Fragen aktueller pflegerischer Versorgung


aus.

Konkret können sich daraus folgende Aufgaben für die Bachelor-Absolventen ergeben


  • Auswahl von Assessmentinstrumenten, Festlegung von Abläufen von Erstgesprächen (Assessment, Erstgespräch, Pflegeplan), Klinische Pfade

  • Prozesssteuerung im Sinne der primären Pflege- verantwortung, bettseitige Fallsteuerung

  • einzelfallorientierte Interventionen in hochkom- plexen Pflegesituationen

  • Mitwirkung bei der Entwicklung und Verantwor- tung für die Umsetzung evidenzbasierter und/ oder interprofessioneller einrichtungsspezifischer Leitlinien/Standards

  • Patientenschulungen konzipieren, einführen und deren Wirksamkeit evaluieren

  • Identifikation/Bewertung von Fachliteratur für die Evidenzbasierung von Standards, Fortbildungen sowie die Integration neuer Erkenntnisse in die Praxis

  • Evaluation des Behandlungs- und Betreuungsverlaufes mit Anpassung der Ziele und Interventionen

  • Einschätzung und Festlegung des pflegerischen Versorgungs- und Betreuungsbedarfs; Beratung, Anleitung und Information von pflegebedürftigen Menschen und ihrer Angehörigen (nach SGB XI)

  • Anleitung von Eltern, Angehörigen und Bezugspersonen im Umgang mit komplexen krankheits- und therapiebedingten Anforderungen der Patienten aller Altersstufen

  • Entwicklung und Auswertung einrichtungsspezifischer statistischer Erhebungen (z.B. Schmerz, Sturz, Dekubitus)

  • Verantwortliche Begutachtung pflegerischer Versorgung und Betreuung im ambulanten und stationären Versorgungsfeld

  • Koordination häuslicher teilstationärer und stationärer

Fallbeispiel 1 im Setting Stationäre Pflegeeinrichtung

Herr Meyer ist ein 80-jähriger Landwirt, der seit einem Jahr in der Einrichtung St. Benedikt in ländlicher Umgebung lebt. Der unverheiratete Mann lebte und arbeitete bis zu diesem Zeitpunkt auf seinem Nebenerwerbshof. Sein Neffe, der ihn gelegentlich besuchte, bemerkte, dass sein Onkel sich immer mehr veränderte und bald war ein Umzug in ein Pflegeheim unumgänglich. Der Neffe wohnt jetzt mit seiner Familie auf dem ehemaligen Hof und kümmert sich um seinen Onkel im Heim.

Herr Meyer wandert seit seinem Einzug unterbrochen im Wohnbereich herum. Er setzt sich zu den Mahlzeiten nicht, sondern nimmt sein Essen im Stehen zu sich. Der ehemals kräftige Mann hat stark abgenommen. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, den in der Wohnküche nicht funktionierenden alten Kohleofen mit jedem Stück Papier, das er finden kann, zu bestücken. Seit einiger Zeit kontrolliert er dort zudem alle Schränke und Schub- laden. Die Mitpatienten fühlen sich dadurch von Herrn Meyer gestört. Gelegentlich läuft er auch, eher zufällig, auf andere Wohnbereiche, insbesondere dann, wenn er einem der beiden männlichen Pflegenden folgt.

Fallbeispiel 2 im Setting Krankenhaus

Das folgende Beispiel geht von verschiedenen Aufgabenschwerpunkten dreier typischer Pflegeaufgaben aus und differenziert die Tätigkeiten zwischen den unterschiedlichen beruflichen Qualifikationenebenen.

Fallbeispiel 3 im Setting Ambulanter Kinderkrankenpflegedienst

Emma ist ein 5-jähriges Mädchen mit einer schweren körperlichen und geistigen Behinderung nach perinataler Asphyxie. Ihr Entwicklungsstand entspricht dem eines 6 Monate alten Säuglings. Neben einer Cerebralparese hat sie ein Krampfleiden, das mit Medikamenten nur schwer einzustellen ist. Emma krampft 1-2 Mal pro Woche. Emma hat einen hypotonen Muskeltonus, sie kann nicht sitzen oder stehen. Da sie oral nicht ausreichend ernährt werden kann, bekommt sie über ein Gastrostoma hochkalorische Nahrung mithilfe einer Nahrungspumpe. Ihre Bedürfnisse kann Emma nur über Unruhe und Weinen äußern.

Emma wird zuhause von ihrer Mutter versorgt, der Vater ist berufstätig. Einmal täglich kommt der ambulante Kinderkrankenpflegedienst für 3 Stunden, um Emmas Mutter zu unterstützen und zu entlasten

Empfehlungen zur Organisationsentwicklung

Der DPR und die DGP geben folgende Hinweise und Empfehlungen zur Organisationsentwicklung, um grundstän- dig akademisch qualifizierte Pflegende in das bestehende System Krankenhaus, Behinderteneinrichtung, Alten- heim und in die ambulante Versorgung zu integrieren:

Die Implementierung von Bachelor-Absolventen in der Pflege ist eine komplexe Anforderung für das Gesamtun- ternehmen und hat entsprechend weitreichende Auswirkungen. Die Betrachtung von möglichen Pro- und Contra- Aspekten im Vorfeld kann den Prozess entscheidend beeinflussen. Die Implementierung muss von einem Wandel der Einstellungen begleitet werden: die zunehmende wissenschaftliche Basierung von Pflege ist als Ressource für alle Qualitätsdimensionen im Unternehmen zu verstehen.

Von daher empfehlen der DPR und die DGP folgende Gesichtspunkte bei der Umsetzung zu beachten:


  • die Implementierung erfolgt in einem geplanten Projekt

  • auf der Ebene der Unternehmensleitung werden im Vorfeld die Bedarfe definiert und die Projektziele formuliert; dabei ist auch der ärztliche Bereich zu beteiligen

  • die Pflegedirektion der Einrichtung legt die Form und Umsetzung der Veränderung der Aufgaben- verteilung in der Berufsgruppe der Pflegenden fest

  • die Projektverantwortung ist an einer Stabsstelle der Pflegedirektion angesiedelt

  • zur Implementierung ist es günstig, zunächst eine begrenzte Zahl von Bereichen (2 – 4 Stationen) auszuwählen, dabei sind unterschiedliche Fachbereiche vertreten

  • um die Stationen Bereiche zu motivieren, bewerben diese sich um die Projektteilnahme

  • motivierte Mitarbeiter/innen können im Rahmen strukturierter Personalentwicklung bereits im Vorfeld für das Projekt geworben werden (z.B. im turnusmäßigen Mitarbeitergespräch)

  • zur Information und Klärung offener Fragen (und Motivation) werden alle Pflegenden in das Projekt eingebunden

  • die Bachelor-Absolventen in der Pflege werden als „Pioniere“ vernetzt und regelmäßig von der Projektleitung begleitet, um ihnen Reflexion zu ermöglichen

  • die Aufgaben und Kompetenzen werden im Rahmen des Skill mix definiert

  • die Fragen der organisatorischen und fachlichen Weisungsbefugnis und der tariflichen Eingruppierung werden geklärt

  • dafür geeignete traditionell qualifizierte Pflegefachpersonen werden im Rahmen der Personalentwicklung dabei unterstützt - unter Anrechnung ihrer Kompetenzen - einen akademischen Abschluss zu erlangen


Der DPR und die DGP empfehlen, die anlaufenden Projekte in den Einzelbetrieben auf Bundesebene wissen- schaftlich zu evaluieren, um auf dieser Basis die Einsatzfelder der Bachelor-Absolventen in der Pflege auf einer gesicherteren Basis weiterzuentwickeln.

Quellenverzeichnis


  • Korporal, ; Hülsken-Giesler, M. (2013): Fachqualifikationsrahmen Pflege für die hochschulische Bildung. Berlin 2013

  • Stöcker, G., Reinhart, M,.(2012). Grundständig pflegeberufsausbildende Studiengänge in Deutschland. Synopse. Download von: http://www.bildungsratpflege.de

  • Wissenschaftsrat (2012). Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen. Drs. 2411-12. Berlin 13 07 2012. Download unter: http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/2411-12. pdf

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