08.10.2025 Arbeitsbedingungen Berufsautonomie Pressemitteilung
Deutscher Pflegerat begrüßt Gesetzentwurf zur Befugniserweiterung als wichtigen ersten Schritt
Anhörung im Gesundheitsausschuss
Der Deutsche Pflegerat (DPR) bewertet den Gesetzentwurf zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege als einen wichtigen ersten Schritt zur Stärkung der pflegerischen Fachkompetenz und Eigenverantwortung. Der Entwurf verankert die Pflegeprozessverantwortung erstmals ausdrücklich im Leistungsrecht. Dennoch bleibt er in zentralen Punkten hinter seinen Ansprüchen zurück.
„Der Gesetzgeber erkennt an, dass Pflegefachpersonen über eigenständige Kompetenzen verfügen“, sagt Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats, anlässlich der heutigen Anhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages. „Das ist überfällig und ein klares Signal. Doch an entscheidenden Stellen bleibt das Gesetz zu stark an ärztlicher Diagnostik orientiert und verfehlt so den eigentlichen Anspruch einer echten Befugniserweiterung.“
Der Gesetzentwurf bleibt noch zu stark in einer Gesundheitsversorgung behaftet, die seit über 100 Jahren von ärztlicher Dominanz und Logik geprägt ist und dadurch bedingt neue Versorgungsmodelle erschwert. Die pflegerische Versorgung darf nicht länger nur aus ärztlicher Perspektive betrachtet werden. Um die Chancen der Befugniserweiterung zu nutzen, braucht es Mut und den Willen, sich von alten Strukturen zu lösen. „Wir müssen verstehen, dass die Befugniserweiterung funktioniert und eine große Chance für eine moderne, interprofessionelle Versorgung bietet. Pflegefachpersonen müssen ihre Kompetenzen eigenverantwortlich und selbstständig einbringen können und so die Versorgungsqualität gemeinsam mit allen Gesundheitsfachberufen sichern.“
Der DPR begrüßt die vorgesehene Pflegeprozessverantwortung, kritisiert jedoch, dass der neue § 15a SGB V zu stark an ärztlicher Diagnostik orientiert bleibt und keine eigenständige heilkundliche Ausübung durch Pflegefachpersonen vorsieht. Pflegefachliches Handeln darf nicht auf ärztlich abgeleitete Diagnosen reduziert werden. Pflege muss über ärztliche Maßnahmen hinaus gedacht und eigenständig im Versorgungsgeschehen abgebildet werden.
Professionelles Pflegehandeln folgt einer eigenen Fachlogik, orientiert sich an individuellen Zuständen und pflegerischen Phänomenen der Patient:innen und Pflegebedürftigen. Wenn diese Kompetenzen vollumfänglich berücksichtigt und rechtlich verankert werden, entsteht eine moderne, professionsübergreifende Versorgungsstruktur.
Auch für die Berufsbilder Advanced Practice Nursing (APN) und Community Health Nursing (CHN) fordert der DPR eine Weiterentwicklung hin zu pflegeautonomen Leistungen und klaren Handlungsfeldern in allen Versorgungssettings. Die geplante Erarbeitung eines Muster-Scope-of-Practice kann dabei nur ein erster Schritt sein. Sie muss pflegetheoretisch und pflegewissenschaftlich fundiert erfolgen.
„Die Richtung stimmt, aber der Weg ist noch lang“, betont Vogler. „Der Gesetzentwurf legt eine gute Basis. Doch er muss um verbindlichere Zuständigkeiten, pflegewissenschaftliche Expertise und eine klare Perspektive auf eine eigenständige Pflegekompetenz ergänzt werden.“
Ansprechpartner:innen
Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats
Michael Schulz, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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