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Assistierter Suizid und Tötung auf Verlangen

Mögliche Neuregelung der Suizidassistenz

By 15. April 2021No Comments

Stellungnahme des DPR zu wesentlichen Eckpunkten für eine Neuregelung der Suizidassistenz, nachdem das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 26.02.2020 den § 217 StGB für nichtig erklärt hat.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sterbehilfe macht eine untergesetzliche Regelung erforderlich. Unabhängig von der ethischen Einschätzung der Regelungen zur Assistenz beim Suizid, besteht ein erhebliches Interesse auch des Pflegeberufs an einer transparenten und nachvollziehbaren Regelung, die verschiedene Rechtsgüter abwägt.

Pflegefachpersonen sind von Regelungen der Suizidassistenz betroffen, weil sie häufig unmittelbare Ansprechpartner für entsprechende Fragen von Patienten/innen mit Sterbewunsch sind und immer wieder um direkte Sterbehilfe gebeten werden.
Zudem kann eine mittelbare Mitwirkung an der Selbsttötung von Patienten/innen oder Bewohnern/innen nicht ausgeschlossen werden, wenn Selbsttötungen in Krankenhäusern, Alteneinrichtungen oder in der Häuslichkeit durchgeführt werden sollten.

Eine Regelung der Suizidassistenz muss deshalb aus unserer Sicht folgende Kriterien berücksichtigen:

  • Vor der Assistenz beim Suizid muss eine unabhängige Beratung stattgefunden haben (entsprechend der Beratungspflicht vor Schwangerschaftsabbruch).

Begründung: Die Beratung soll ethische Aspekte und persönliche Ausblicke für die/den Suizidwillige/n sichtbar machen. Sie ergänzt und objektiviert den Entscheidungsfindungsprozess, der zwischen Suizidhelfer/innen und der/dem Suizidwilligen ausgehandelt werden muss.

  • Die Beratung soll durch etablierte Ethik-Komitees erfolgen.

Begründung: Es soll vermieden werden, dass Beratung zur formalen Beschaffung einer Erlaubnis missbraucht wird. Hier kann auf palliativmedizinische Kompetenz zurückgegriffen werden.

  • Eine Karenzzeit von 4 Wochen zwischen Beratung und Durchführung des begleiteten Suizids muss eingehalten werden.

Begründung: Im Gegensatz zur Beratung bei Schwangerschaftsabbruch besteht kein zwingend zeitlicher Druck. Die Karenzzeit vermeidet situationsbedingte Kurzschlussentscheidungen.

  • Die Begleitung des Sterbefastens ist in die Definition der Suizidassistenz einzubeziehen.

Begründung: Die Unterstützung im Sterbefasten mit dem Ziel, den Hungertod herbeizuführen, ist von der palliativen Begleitung bei Nahrungsabstinenz oder Nahrungsverweigerung abzugrenzen.

  • Die Durchführung von Suizidbegleitung in Krankenhäusern und Altenheimen ist zu verbieten.

Begründung: Es besteht die Gefahr, dass therapeutische Zielkonflikte in Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen Einzug halten.

  • Der Verlauf der Suizidassistenz ist in geeigneter Weise zu dokumentieren und den Gesundheitsämtern anzuzeigen.

Begründung: Es besteht ein öffentliches Interesse am Verlauf und der Anzahl von begleiteten Selbsttötungen, um ggf. präventiv gegensteuern zu können.

  • Für die Suizidbegleitung darf nicht geworben werden.
  • Die Suizidbegleitung muss unentgeltlich erfolgen.
  • Die Anwesenheit von Minderjährigen beim assistierten Suizid ist zu untersagen.

Begründung: Die Mitteilung oder das Erleben eines Suizids können Menschen in kritischen psychischen Situationen zur Nachahmung animieren (Werther-Effekt). Jugendliche sind die vulnerabelste Gruppe bei Suiziden. Seit assistierte Selbsttötungen auch als „Abschiedsfeiern“ organisiert werden, besteht die Gefahr, den Suizid als Norm des aus dem Leben Scheidens zu etablieren.

  • Die Beihilfe zum Suizid wird unter Strafe gestellt, wenn die/der Suizidwillige in seiner freien Willensäußerung beeinträchtigt ist.
  • Die Beihilfe zum Suizid wird unter Strafe gestellt, wenn der/die Helfer/in wirtschaftlich vom Tod der/des Suizidantin/en profitiert.
  • Die Mitwirkung an der Suizidassistenz muss freiwillig sein. Mitarbeitende dürfen weder zur Beteiligung daran gezwungen werden noch darf es bei Verweigerung der Mitwirkung arbeitsrechtliche Konsequenzen geben.

Begründung: Die Mitwirkung an der Suizidassistenz ist eine höchst schwierige Entscheidung für jeden Menschen. Ähnlich dem Schwangerschaftsabbruch muss jede/r Mitarbeitende eine aktive Mitwirkung verweigern können, wenn dies mit dem eigenen Gewissen nicht vereinbar ist.

 

Berlin, im Mai 2020

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