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01.09.2022 Arbeitsbedingungen Pressemitteilung

Profession Pflege ist damit einen Schritt weiter – Gegenfinanzierung ist nicht bis zum Ende gedacht

Christine Vogler im Interview mit rbb 24 Inforadio zur Tarif-Treue-Regelung

Anlässlich der seit heute (01. September 2022) geltenden Verpflichtung der ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen ihre Mitarbeiter*innen in der Pflege und Betreuung nach Tarif oder nach dem sich aus Tarifvertragswerken und kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen ergebenden regional üblichen Entgeltniveau zu bezahlen, sagte Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats e.V. (DPR), heute im Interview mit rbb 24 Inforadio:

„Mehr Gehalt macht den guten Beruf der Pflege attraktiver, der vernünftig bezahlt werden muss. Mit der Tarif-Treue-Regelung sind wir jetzt einen Schritt weiter. Aber wir haben ein riesiges Problem. Höhere Löhne müssen gegenfinanziert werden. Und wie wir das gegenfinanzieren, darüber haben wir noch lange nicht bis zum Ende gedacht.“

Der Bund habe zwar Mittel zur Gegenfinanzierung bereitgestellt, weist Vogler hin. Versprochen worden sei, alle Lohnerhöhungen würden vollumfänglich von den Pflege- und Krankenkassen refinanziert. Dem sei momentan jedoch nicht so. Die finanzielle Belastung gehe hin zu den Bewohnern und Patienten, die finanzielle Eigenanteile von geschätzten 200 bis 600 Euro pro Monat selbst zu tragen hätten.

Vogler macht deutlich, dass diese Kostenübernahme eine „soziale Ungerechtigkeit ist“. In der ambulanten Pflege befürchtet sie „Spareffekte der Pflegebedürftigen und Patienten, die aufgrund der Kostensteigerungen weniger Leistungen abrufen, weil es für sie nicht mehr bezahlbar ist“. Auf der einen Seite verdienen die Pflegenden der ambulanten Pflegedienste zurecht „mehr Geld, aber auf der anderen Seite kommt das Geld nicht herein“, was zumindest für die Soziale Pflegeversicherung gilt.

Vogler mahnt vor diesem Hintergrund vor einer Verdichtung der Arbeitszeiten, bei der man dann für die Grundpflege anstatt etwa 24 Minuten nur noch 18 Minuten an Zeit habe. „Das ist ein Effekt, den will keiner haben. Das bedeutet, dass wir gesellschaftlich endlich darüber nachdenken müssen, wie wir in Zukunft Pflege tatsächlich finanzieren. Über die Sozialversicherung wird das so nicht mehr funktionieren.“

Durch die sich massiv erhöhenden finanziellen Eigenanteile befürchtet Vogler zudem das Entstehen eines „moralischen Drucks auf die Pflegenden. Das ist kein schönes gesellschaftliches soziales Miteinander, wenn Löhne auf die Preise umgeschlagen werden und Pflegende denken, ich bin schuld“.

„Es ist insgesamt eine ungute Situation. Wir müssen gesellschaftlich endlich anfangen, zu sagen, Pflege kostet Geld, wir wollen das aber auch bezahlen, um eine würdige Gesellschaft zu bleiben.“

Vogler befürwortet die Deckelung der finanziellen Zuzahlungen der Pflegebedürftigen und Patienten. Weiter weist sie darauf hin, dass „wir in Zukunft an einer Steuerfinanzierung der pflegerischen Versorgung nicht mehr vorbeikommen werden“.

Mehr Informationen:
Das gesamte Interview mit Christine Vogler können Sie unter inforadio.de hier hören.

Ansprechpartnerin:
Christine Vogler
Präsidentin des Deutschen Pflegerats

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